Rundgang über den Flachter Eiterberg

Der Eiterberg (auch „Aidenberg“ genannt) liegt in der Gemeinde Weissach am nordöstlichen Rand des Ortsteils Flacht. Es handelt sich um eine nach südsüdwest exponierte Muschelkalkkuppe, die besonders von trockenwarmen, blumenreichen Wiesen, Hecken, Steinriegeln, Kalkscherbenäckern und Resten vormals ausgedehnter und früher von Schafen beweideter Halbtrockenrasenflächen geprägt ist.

Der Flachter Eiterberg – ein botanischer Spaziergang durch eine bedrohte Landschaft

Auf dem zum Strudelbachtal hin abfallenden Westabhang des Eiterbergs hat sich seit der Aufgabe der Hüteschafhaltung (ca. 1960) ein durch natürlichen Samenanflug entstandener Kiefernwald entwickelt, der sich momentan auf natürlichem Wege zu einem Laubwald hin verändert.

Wegen ihres Reichtums an seltenen Tier- und Pflanzenarten wurden einige Landschaftsteile auf dem Eiterberg in die höchste Schutzkategorie eingestuft und als Naturdenkmale ausgewiesen.

Problematik

Durch das stürmische Wachstum der Gemeinde Weissach wurden in den vergangenen Jahrzehnten viele ortsnahe Flächen überbaut. Hierbei handelte es sich überwiegend um besonders wertvolle Hangflächen, die sich durch eine Vielzahl sich ständig abwechselnder Biotoptypen auszeichneten.

Zwischen der traditionellen Siedlungsfläche und dem eher ebenen „freien Feld“ sind in den Hangbereichen viele Wiesen, Hecken, Steinriegel, unbefestigte Feldwege, Trockenrasen- oder Streuobstflächen vorhanden, die eine extrem wichtige Rolle als Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten spielen.

Es ist daher in ökologischer Hinsicht besonders nachteilig, dass Neubaugebiete gerade in diese wertvollsten Landschaftsbereiche hinein geplant werden, ohne dass dafür ein Ausgleich geschaffen werden kann.

Eine Verlustlinie

Nachdem in der Vergangenheit schon wertvollste Biotope überbaut wurden („Alter Sportplatz“, „Wengert I und II“, „Banholz“), wobei insbesondere die Vernichtung orchideenreicher Halbtrockenrasenflächen am „Ettlesberg“ einen Tiefpunkt kommunaler Bauleitplanung darstellte, ist nun mit der geplanten Überbauung des Eiterbergs durch das Neubaugebiet „Aidenberg“ eine weitere ökologisch wertvolle und weithin sichtbare Landschaft unserer Gemeinde bedroht.

Der „Gelbe Günsel“ (Ajuga chamaepitys) ist in der Roten Liste Baden-Württembergs (abgekürzt: RLBW) als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Durch die Bebauung des „Alten Sportplatzes“ in Flacht (heute „Heidestraße“) wurde das Vorkommen in unserer Gemeinde unwiederbringlich vernichtet.

Die Bienenragwurz, eine der schönsten Orchideen unserer Heimat (hier fotografiert 1988 auf dem heute überbauten „Ettlesberg“ ). Diese Orchideenart kommt bis jetzt auch noch auf dem Eiterberg vor. Sie ist gesetzlich geschützt und in BW als „gefährdet“ eingestuft.

Der Schmalblättrige Lein ist in Baden-Württemberg „gefährdet“. Seit der Überbauung des Ettlesbergs ist er in unserer Gemeinde ausgestorben.

Das Naturdenkmal Nr. 26/34, „Pflanzenstandort Aidenberg“, würde durch die Beeinträchtigungen des unmittelbar angrenzenden Baugebiets völlig entwertet. Innerhalb des Baugebiets würden seltene, teilweise vom Aussterben bedrohte Pflanzen und ihre Standorte vernichtet. 

Legende

rot und gelb schraffiert: ursprünglich geplantes Baugebiet Aidenberg
gelb: aktuell geplantes Baugebiet Aidenberg
türkis: Naturdenkmal 26/34, Pflanzenstandort Aidenberg (2 Teilflächen)
weiß: Grenze des FFH-Gebiets „Strohgäu und Unteres Enztal“
violett: inzwischen überbaute Fläche „Wohngebiet Ettlesberg“

Beginnen wir unseren Spaziergang.

Wer heute auf dem Eiterberg unterwegs ist, der wird bald eine Vielzahl seltener Pflanzenarten entdecken.

Ackerwildkräuter

Besonders interessant ist der Bestand an seltenen Ackerwildkräutern. Typisch für trockene, flachgründige Kalkäcker sind Kornblume, Mohn und Ackerrittersporn.

Am Eiterberg kommen darüber hinaus noch weitere seltene Arten an Ackerwildkräutern vor. Pflanzensoziologen bezeichnen diese Pflanzengemeinschaften als Haftdolden-Adonisröschen-Gesellschaft (Caucalido-Adonidetum). Auf dem Eiterberg kommen nahezu alle Arten vor, die zu dieser Gesellschaft gerechnet werden.

Der Venuskamm (Scandix pecten-verneris) ist in Baden-Württemberg „stark gefährdet“ (RLBW 2).

Die Acker-Haftdolde (Caucalis platycarpos) eine weiterer sehr seltener Doldenblütler, gilt ebenfalls als „stark gefährdet“. Da nahe am Boden eines Getreidefeldes kein Wind weht, setzen viele Getreideunkräuter auf die Verbreitung ihrer Samen durch Tiere. Typisch sind deshalb die hakigen Samen. Sie bleiben an den Tieren hängen und werden so verschleppt.

Vom heute sehr seltenen Adonisröschen (im Volksmund als „Bluatströpfle“) bekannt, kommt neben der bekannteren Art Adonis aestivalis (Sommeradonisröschen) auf dem Eiterberg auch die in Baden Württemberg vom Aussterben bedrohte Art Adonis flammea (Brennendes Adonisröschen) vor. 

Das „Flammen-Adonisröschen“ (Adonis flammea) ist in Deutschland extrem selten und auch in Baden-Württemberg „vom Aussterben bedroht“ (RLBW 1). Auf dem Eiterberg kommen mit ca. 12 Stück außergewöhnlich viele Exemplare dieser Art vor.

Das Sommer-Adonisröschen ist etwas häufiger als die vorige Art. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft ist jedoch auch diese Art inzwischen „gefährdet“ (RLBW 3).

Den gewöhnlichen Ackersalat (Valerianella locusta) kennt jeder. In BW gibt es aber 4 weitere Ackersalatarten. „Gefährdet“ (RLBW 3) ist der gefurchte Ackersalat (Valerianella rimosa) der auch auf dem Eiterberg wächst.

Ein attraktives Malvengewächs ist der „Rauhe Eibisch“ (Althaea hirsuta), der auch in diesem Jahr auf dem Eiterberg zu finden war. Er ist inzwischen „stark gefährdet“ (RLBW 2).

Eine extrem seltene Art trockener Kalkäcker ist der Acker-Kohl (Conringia orientalis). Diese Art kommt auch auf dem Eiterberg vor. In Baden-Württemberg gilt sie als „vom Aussterben bedroht“ (RLBW 1).

Der „Blaue Gauchheil“ (Anagallis foemina) ist wesentlich seltener als der rot blühende. Obwohl in Baden-Württemberg als „gefährdet“ eingestuft, kommt er auf dem Eiterberg noch häufig vor. Der Pflanze wurde früher in der Volksmedizin eine heilende Wirkung bei Geisteskrankheiten (Gauch = Narr, Kuckuck) zugeschrieben.

Der gefährdete (RLBW 3) „Finkensame“ (Neslia paniculata) kommt erst ab einer Höhe von 400m vor. Auf dem Eiterberg ist er immer wieder anzutreffen.

Der „Einjährige Ziest“ (Stachys annua) war früher häufig in unserer Gemeinde. Inzwischen ist er sehr selten und auch im Lande “ gefährdet“ (RLBW 3).

Ein seltenes Wildkraut lehmiger, trockener Äcker ist das „Eiblättrige Tännelkraut“ (Kickxia spuria). Es ist inzwischen „gefährdet“ (RLBW 3).

Die Ackerglockenblume (Campanukla rapunculoides) (kein Bild) findet man immer seltener an den Feldrändern, wo sie aber manchmal große, auffallende Büsche ausbildet.

Trockenrasen

Direkt angrenzend an das geplante Baugebiet findet man die letzten offenen Heidereste des Eiterbergs. Früher dagegen war der ganze Hang von diesen Weideflächen bedeckt, die Ökologen als „Halbtrockenrasen“ bezeichnen. Der Kiefernwald entwickelte sich erst nach dem Ende der Schafhaltung. 

Der Färberginster (Genista tinctoria) wurde früher zum Färben benutzt. Seine Blüten enthalten Flavonoide, einen gelben Farbstoff.

Die Bienenragwurz (Ophry apifera) ist die schönste Orchidee des Eiterbergs. Ihr Vorkommen ist sehr unregelmäßig. In Baden-Württemberg steht sie bereits auf der Vorwarnliste (RLBW: V).

In Trockenrasenbiotopen auf dem Eiterberg kommen außerdem Fransenenzian, Deutscher Ginster, Silbderdistel, Flügelginster u. a. vor.

Wiese, Ränder, Park

Neben den mageren Heideflächen kommen auf dem Eiterberg auch ertragreichere, trockene Wirtschaftswiesen vor. Manche davon sind von alten, großkronigen Bäumen bestanden, so dass sich dem Betrachter ein parkähnlicher Anblick bietet. Diese Naturrasenflächen beherbergen eine Reihe botanischer Besonderheiten.

Ein seltener Frühblüher ist der Acker-Goldstern (Gagea villosa). Dieses Liliengewächs kommt gerne am Fuße größerer Bäume vor und ist in Baden-Württemberg „gefährdet“.

Das seltene Zwiebelrispengras (Poa bulbosa) bevorzugt trockene Standorte und verbreitet sich selbst über Brutknospen. Diese wachsen bereits in der Rispe der Mutterpflanze aus.

Die „klassische Blumenwiese“ ist eine landwirtschaftlich genutzte, trockene und nährstoffarme Salbei-Glatthafer-Wiese. Margerite und Salbei dominieren den Blumenreichtum. Charakterisiert wird diese Biotoptyp aber durch eine Reihe weiterer Arten, deren Bestände fast ausnahmslos stark rückläufig sind. Die Gründe hierfür sind intensive Düngung, früherer Mahdtermine und nicht zuletzt die Überbauung von landwirtschaftlichen Grenzertragsflächen.

Der Knöllchensteinbrech (Saxifraga granulata) ist wie die Wiesenglockenblume (Campanula patula), eine Zeigerpflanze für intakte, blütenreiche und trockene Wirtschaftswiesen. Beide Arten sind stark rückläufig in ihren Vorkommen. Auch auf dem Eiterberg findet man sie nur noch relativ selten.

Die kleine Sommerwurz, auch Kleewürger genannt, ist ein seltener Vollschmarotzer, den man in den bunten Salbei-Glatthafer-Wiesen des Eiterbergs noch finden kann.

Wege, Steinriegel

Selten geworden sind inzwischen auch offene, unbewachsene Steinriegel und unbefestigte Erdwege.

Die Purpurfetthenne siedelt sich selten zwischen den besonnten Steinen an. In ihren dicken Blättern kann sie Wasser speichern und dadurch extreme Trockenheit unbeschadet überdauern.

Wie viele andere Insekten fühlt sich auch die“ Körnerwarze“ (Carabus cancellatus), eine Laufkäferart, auf besonnten Erdwegen wohl. Manche Wildbienenarten benötigen die trockenen, vegetationsfreien Flächen dieser Wege um dort ihre Brutnester anzulegen.

Der Flachter Eiterberg – in seiner Gesamtheit schützenswert.