Rückblick auf den UL-Waldspaziergang am 15. Mai 2022

Im Anschluss an unseren Winterwald-Spaziergang durch den Gerechtigkeitswald Flacht 2019 sollte der nächste Waldspaziergang ursprünglich 2020 unter dem Motto „30 Jahre nach Orkan Wiebke“ stattfinden. Dieser tobte vom 28. Februar auf den 1. März 1990 über’s Land.

Coronabedingt wurde der ursprüngliche Termin zweimal verschoben, sodass wir nun 32 Jahre nach dem Orkan dort stehen, wo damals alles begann.

Zum Wald allgemein

In Zeiten der Klimakrise wie auch schon vor 32 Jahren sind die natürlichen Funktionen des Waldes als sehr guter Kohlendioxid- und Wasserspeicher, Sauerstoffproduzent, aber auch als Erholungsraum für Menschen und Lebensraum für Tiere und Pflanzen wichtig.

Zudem kann aus dem Wald Bau- und Möbelholz entnommen werden, das sonst importiert werden müsste. In den Möbeln bleibt das CO2 gebunden. Als nachwachsender Energieträger in Form von Scheitholz oder Hackschnitzeln kann Holz zur Wärmegewinnung verwendet werden. Sägewerks- oder Schreinereiabfälle wie Sägemehl und -späne werden meist zu Pellets verpresst und der Wärmegewinnung zugeführt.

Oberste Devise sollte bei allem sein, dass Eingriffe in den Wald möglichst gering, naturnah und immer nachhaltig sind.

Zum Seyfried’schen Wald

Unser Privatwaldstück stellt mit seinen 3,5 Hektar Fläche ein übersichtliches Beispiel für Waldentwicklung durch Naturverjüngung dar. Der Trauf besteht hauptsächlich aus Eichen, Buchen und Bergahorn. Vor 32 Jahren waren die verschiedenen Baumarten ähnlich verteilt, allerdings standen damals noch mehr Fichten dazwischen. Auf unsere älteren Bäume, wie etwa eine 230 Jahre alte Eiche, sind wir besonders stolz. Die generelle Altersspanne der Bäume in unserem Waldstück liegt zwischen 30 und 200 Jahren.

Die vorherrschende Baumart vor dem Orkan waren Fichten, durchsetzt mit einigen Buchen, Kiefern und Douglasien. Durch den Sturm wurden einige Fichten abgebrochen oder stürzten um. Wir entschieden uns, die abgebrochenen und entwurzelten Bäume als Totholz im Wald liegen zu lassen.

Sachgemäße Aufarbeitung von Sturmholz ist nicht nur sehr zeitintensiv, sondern auch gefährlich. Hängende Bäume können immer Nachrutschen oder Stämme durch innere Risse splittern während man sie bearbeitet.

Die durch unsere Entscheidung folgenden Schäden erwiesen sich für unseren Wald als verheerender als der eigentliche Orkan. Die verletzten Bäume waren geschwächt und anfällig für Borkenkäfer. Diese fanden optimale Nahrungs- und Brutstätten vor und fielen über die noch lebenden Fichten her. Während gesunde Bäume in der Lage sind, sich durch verstärkten Harzfluss gegen Borkenkäfer zu wehren, reagieren kranke Bäume nicht mehr und sterben nach und nach ab.

Je weiter der Befall fortgeschritten ist, umso offensichtlicher ist die Schädigung zu sehen. Vermehrte Bohrlöcher und vertrocknete Kronen lassen erkennen, dass der Baum den Kampf aufgegeben hat. Diese Bäume sollten zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Borkenkäfer zeitnah dem Wald entnommen werden. Ein Entwicklungszyklus des Borkenkäfers dauert etwa sechs bis acht Wochen.

Leider erkannten wir den Borkenkäferbefall zu spät. Wir mussten viele Bäume fällen und entrinden, um dem Käfer die Lebensgrundlage zu entziehen und umstehende Bäume zu schützen. Insgesamt fielen über 1100 Festmeter (= m³) Langholz, viele Festmeter Kurzholz und zig Raummeter Brennholz an.

Nach dem Abräumen des Holzes entschieden wir uns, nur einen Teil der Fläche aufzuforsten, da der Arbeitsaufwand sehr hoch war. Der andere Teil blieb sich selbst überlassen. Gepflanzt wurden damals wieder Fichten und Buchen. Der größte Teil der gepflanzten Bäume ging durch die folgende Trockenheit wieder ein. Die Wege waren durch die Forstmaschinen so stark beschädigt, dass Gießen der Setzlinge nur schwer bis unmöglich war.

Auf den Pflanzflächen von damals stehen heute nur noch ein paar wenige übrig gebliebene Fichten und Buchen. Alle anderen Bäume sind durch angewehte Samen, sogenannter Naturverjüngung, gewachsen. Heute, nach 30 Jahren, ist hier ein schöner Mischwald aus Ahorn, Buchen, Eichen, Eschen, Kirschbäumen, Birken, Kiefern und einigen Douglasien und Fichten entstanden. Außerdem siedelten sich am Hang Richtung Strudelbachtal einige Salweiden und Haselnusssträucher an. Im Wald verstreut stehen einige große, teilweise abgestorbene Habitatbäume mit vielen Höhlen für Spechte und Fledermäuse. Bäume, Sträucher und abgestorbene Bäume bilden ein vielseitiges Angebot für Insekten, Vögel, Nager und andere Waldbewohner und unterstützen so die Artenvielfalt im Wald.

Problematisch ist zurzeit das Eschensterben. Ursache ist ein aus Ostasien eingeschleppter Pilz, der über die Blätter in die Triebe eindringt und zum Absterben der Eschen führt.  Manche Eschen bleiben verschont, hauptsächlich an trockenen Standorten. Zurzeit wird an Resistenzen gegen den Pilz geforscht. Bei uns kann man ebenfalls abgestorbene Eschen sehen.

Die geänderten klimatischen Bedingungen sind besonders für Buchen ein Problem. Durch die seit Jahren herrschende Trockenheit sind alte Buchen nicht mehr in der Lage, sich ausreichend mit Wasser zu versorgen. Durch den Mangel sterben ganze Äste durch die Trockenheit ab, die bei Sturm herabfallen und an Spazierwegen gefährlich werden können.

Was haben wir noch vor?

Zu dicht stehende Bäumen lichten wir aus. Das heißt, schwächere Bäume werden entfernt, sodass mehr Wasser für die vitaleren Bäume verbleibt. An Stellen, an denen aus verschiedenen Gründen keine Naturverjüngung stattfindet, wird standortgerecht nachgepflanzt. An trockenen Standorten werden zugekaufte Douglasien und selbst gezogene Eichen gepflanzt. Außerdem überlegen wir, Esskastanien zu pflanzen. Diese kommen mit der Trockenheit besser klar.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass Waldwirtschaft, egal welcher Art, ein langfristiges und riskantes Unterfangen ist. Heute lassen sich unsere Bemühungen der letzten dreißig Jahre erkennen. Eichen wachsen 120 bis 200 Jahre, Douglasien etwa 60 Jahre, bis sie zu Bau- oder Möbelholz weiterverwendet werden können. Das bedeutet, was heute gepflanzt wird oder wächst, kommt erst unseren Enkeln oder Urenkeln zugute. Dabei lässt sich noch nicht absehen, inwieweit die Veränderung der klimatischen Bedingungen den Baumarten zusetzen und welche Bäume in unseren Breitengraden noch wachsen können.