Am 26. Oktober 2021 besuchte Frank Harsch, Bürgermeister von Braunsbach, unsere Gemeinde im Rahmen einer von uns organisierten Informationsveranstaltung zum Thema Starkregen. Herr Harsch gestaltete seinen Vortrag offen und interaktiv, sodass eine lebhafte Diskussion über Gefahren von Starkregenereignissen und Maßnahmen zur Schadensprävention stattfinden konnte und die Zeit wie im Flug verging. Die Inhalte von Herrn Harschs Vortrag haben wir nachfolgend für Sie zusammengefasst.
2016 kam es in Braunsbach zu einem Erdrutsch und einer daraus resultierenden Flut, die Herrn Harsch, der damals schon Bürgermeister von Braunsbach war, zum Handeln zwang: In der Gemeinde Braunsbach wurden ein umfangreiches Starkregen-Risikomanagement etabliert und Schutzvorkehrungen getroffen. Ebenso wie in Weissach bildet auch in Braunsbach Muschelkalk-Gestein die Bodengrundlage.
Krisenmanagement nach der Flut in Braunsbach
Nach einer detaillierten Beschreibung der damaligen Ereignisse und deren Konsequenzen sprach Herr Harsch sehr ausführlich über akute Maßnahmen im Katastrophenfall. Er hob dabei die folgenden Schritte besonders hervor:
- die initiale Bildung eines Krisenstabs,
- die Etablierung einer Notversorgung,
- die Organisation von Notunterkünften für besonders schlimm betroffene Haushalte,
- die Bereitstellung von Nahrung und Kleidung sowie
- die Beschleunigung der Räumung und Abfallbeseitigung.
Im weiteren Verlauf der Hochwasserkrise wurden Geld- und Sachspenden für die Geschädigten organisiert und verwaltet und Plünderungen durch das Ordnungsamt verhindert. Auch der Umgang mit den Medien spielte eine große Rolle.
Besonderen Wert legte Herr Harsch auch auf die fachliche Unterscheidung zwischen einer Hochwassergefahr durch Fließgewässer und durch Starkregenereignisse. Während im ersten Fall eine Warnung meist Stunden bis Tage vorher erfolgt und entsprechende Evakuierungsmaßnahmen eingeleitet werden können, bleibt im Falle eines Starkregenereignisses durch die plötzlich lokal anfallenden immensen Niederschlagsmengen keine Zeit, umfassende Schutzmaßnahmen zu treffen. Durch die kurze Vorlaufzeit können lediglich noch Einlaufschächte geschützt und Sandsäcke angebracht werden. Deshalb ist es wichtig, präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Bei uns in Weissach und Flacht geht die Hochwassergefahr vom Strudelbach aus, der in Folge von Starkregen durch die Tallage unserer beider Ortsteile sehr schnell und stark anschwellen kann. Nun soll der Strudelbach im Tal zwischen Weissach und Flacht gestaut werden, um die tiefer liegenden Gemeinden am Strudelbach im Enzkreis vor Hochwasser zu schützen. Aber auch der Marktplatz in Weissach kann auf diese Weise vor Überschwemmungen durch Hochwasser im Strudelbach geschützt werden.
Im Falle von Starkregen wäre der Weissacher Ortskern dennoch gefährdet, da Wassermassen von den Hängen der Fahrnet und des Aidenbergs in die Ortsmitte strömen können. Dasselbe gilt für die Flachter Ortsmitte, die zwischen Ettles- und Lerchenberg gelegen ist.
Präventive Maßnahmen zum Hochwasserschutz in unseren Innerorten
Aber wie bereiten wir uns auf den Ernstfall vor? Wie können bestehende Gebäude geschützt werden? Und wie schaffen wir künftig Wohnraum, der Hochwassern trotzt? Wie sollten wir unsere Innerorte im Hinblick auf das Starkregenrisiko gestalten? Was können wir in Weissach aus den Geschehnissen in Braunsbach und den dort getroffenen Maßnahmen ableiten?
Wie ein Mantra wiederholte Herr Harsch die Wichtigkeit von Ver- und Entsiegelungsflächen bei der Innenraumentwicklung. Vor allem in Bachnähe müssen genügend Versickerungsflächen erhalten und geschaffen werden, um einen „natürlichen“ Wasserabfluss gewährleisten zu können. Dies ist einer der Gründe, warum in deutschen Innerorten verstärkt Bachläufe an die Oberfläche geholt und renaturiert werden.
Auch die Bemessung von Einlaufschächten und die Durchmesser von Abwasserrohren spielen eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Überflutungen. So sind in Braunsbach zwischenzeitlich Einlaufschächte von 1,2 Metern Breite Standard. Zusätzlich wurden Bypässe in der Kanalisation geschaffen.
Das Überflutungsrisiko einzelner Ortsteile und Flächen lässt sich mithilfe der Überflutungskarten der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) abschätzen. Diese teilen die Gemeinde in sogenannte HQ-Flächen auf, die Wahrscheinlichkeiten für 10-jährige, 30-jährige oder 100-jährige Hochwasser auf den jeweiligen Flächen widerspiegeln. Dadurch lässt sich simulieren, wie sich eine Überflutung in der Gemeinde auswirken würde und wo besonders starke Schäden zu erwarten wären.
Bereits am 18. November 2019 beauftragte die Gemeinde das Ingenieurbüro Wald + Corbe Consulting GmbH mit der Erstellung einer Starkregen-Gefahrenkarte über das komplette Gemeindegebiet. Die Sitzungsvorlage findet sich im Ratsinformationssystem der Gemeinde (RIS) als Drucksache 19/176. Die Ergebnisse sollen nach Angaben der Gemeinde noch dieses Jahr im Gemeinderat präsentiert werden. Die Karte soll bei der Auswahl und Planung der weiteren Maßnahmen zum Hochwasserschutz zu Rate gezogen werden.
Bei Hochwasser nehmen versiegelte Oberflächen wie Straßen und die Plätze in unseren Ortsmitten kein Wasser auf. Das Wasser fließt dann „ungebremst“ die Hauptstraße entlang und kann im Ernstfall Mülleimer, Terrassenmöbel oder gar Autos mit sich reißen, Keller und Tiefgaragen fluten und so immensen Schaden anrichten.
Bei der großflächigen Sanierung der Flachter Ortsdurchfahrt wurde die Ortsmitte vollständig versiegelt. Damit wurde weder dem innerörtlichen Mikroklima noch dem Hochwasserschutz ein Gefallen getan. Aufgrund von Versäumnissen bei der Kontrolle der unterirdischen Wasserführung des Strudelbachs wurden Kanalbegänge durchgeführt. Ein Sanierungskonzept für die Verdohlung steht weiterhin aus, obwohl seit dem letzten Jahr die Missstände bekannt sind.
Um zu verhindern, dass Wasser sich in der Nähe von Gebäudemauern oder -schächten ansammelt, müssen Niederungen entfernt und Wasserführungen und Kanäle geschaffen werden, die das Wasser ableiten und Versickerungsflächen zuführen. Auch bei den Planungen zum „Jahrhundertprojekt Ortsmitte Weissach“ sollte ein Konzept zur Wasserführung im Hochwasserfall einbezogen werden.
Weitere Maßnahmen zur Schadensminimierung sind die Erhöhung von Lichtschächten, die Errichtung von Prallmauern, um oberirdisches Abfließen zu gewährleisten, sowie die Schaffung von Grünflächen zur Versickerung in den Ortskernen.
Hochwasserschutz durch Renaturierung der Außenbereiche
Doch nicht nur im Innerort lauern die Gefahren: Wie in Braunsbach können auch bei uns Schäden durch die Kultivierung des Außenbereiches entstehen – genauer gesagt durch die zunehmende Versiegelung durch intensive, großflächige Land- und Forstwirtschaft, durch die Verdichtung von Böden mit schweren Maschinen, durch Begradigung von Wasserläufen und Bächen und durch die Teerung von Feldwegen. All diese Gegebenheiten können dazu führen, dass nur wenig Wasser an Ort und Stelle versickert. Der Großteil des Wassers fließt die Hänge herab und sammelt sich in den Tälern.
Erdrutsche und Überflutungen in Folge von Starkregenereignissen können durch diverse Landschaftsformen vermieden werden. Bäume, Feldgehölze und Hecken bilden natürliche Barrieren für Treibgut wie Holz, Geröll und Schlamm. Dadurch können sie niedriger gelegene Flächen vor größerem Schaden bewahren. Mäandrierende Bachläufe sorgen für eine niedrigere Fließgeschwindigkeit und schaffen zusätzliche wasseraufnehmende Flächen. Maßnahmen zum Naturschutz und Renaturierung fördern also nicht nur die Biodiversität, sondern tragen auch zum Hochwasserschutz bei.
Zu den Schutzmaßnahmen gehört aber natürlich auch eine regelmäßige Pflege des Fließgewässers im Rahmen des Gewässerentwicklungsplans. Darin enthalten sind zum Beispiel die Anbringung von Geröllfängen sowie die Renaturierung des Bachlaufs. Die Bachauen 5 Meter rechts und links des Wasserlaufs sollten natürlich belassen werden. Allerdings müssen Büsche und Bäume regelmäßig zurückgeschnitten werden, damit diese im Starkregenfall nicht vom Wasserstrom mitgerissen werden können. Auch dies ist in unserer Gemeinde über längere Zeit nicht ausreichend veranlasst worden.
Die Gefahren des Muschelkalks bei Hochwasser
Nun zum Thema Muschelkalk: Die einzigartige Natur- und Kulturlandschaft unseres „Heckengäus“ entstand durch die ihr zu Füßen liegende geologische Schicht des Muschelkalks. Die hydraulische Durchlässigkeit und die Widerstandsfähigkeit dieses Gesteins sind für die Bildung der prägenden Landschaftsform verantwortlich.
Markant für diese Gesteinsschicht sind viele Risse, Fugen und Unterspülungen innerhalb des Gesteins, die durch versickerndes Grundwasser stetig erweitert und vergrößert werden. Dadurch kann sich das Wasser, das an einer Stelle versickert, in den unterirdischen Spalten bewegen und an einer anderen Stelle – teilweise auch weit entfernt – zu Tage treten.
Diese Eigenschaft macht den Boden insbesondere bei Bauprojekten schwer berechenbar. Vor der Ausweisung von Tiefgaragen, Regenüberlaufbecken oder Gebäuden sollte daher stets ein umfangreiches geologisches Gutachten erstellt werden, um wasserführende Schichten und Quellen identifizieren und entsprechende bauliche Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Nach den Erfahrungen von Herrn Harsch bieten Regenüberlaufbecken im Muschelkalk nur begrenzt Schutz, da das Wasser auch in solchen Becken versickert und unter Umständen an anderer Stelle wieder auftauchen kann. Herr Harsch setzt daher verstärkt auf die Renaturierung des Bachlaufs und der Kulturlandschaft im Außenbereich seiner Gemeinde.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Gefahr von sogenannten Einsturzdolinen im Muschelkalk. Nimmt die unterirdische Wassermenge an einer bestimmten Stelle stark zu, kann dies zu einer Unterspülung und dem Einsturz des umliegenden Erdreichs führen. Errichtet man nun ein Regenüberlaufbecken, versickert an dieser Stelle plötzlich mehr Wasser, welches den Boden verstärkt auslaugt. Dies erhöht letztlich die Einsturzgefahr.
Fazit
Da in den kommenden Jahrzehnten mit einer klimabedingten Zunahme von Starkregenereignissen zu rechnen ist, fordern wir ein verstärktes Bewusstsein für diese Thematik. Wir treten dafür ein, dass im kommenden Jahr aufbauend auf der von der Gemeinde beauftragten Starkregen-Gefahrenkarte umfassende Maßnahmen ausgearbeitet werden, die uns auf ein mögliches Jahrhundert-Hochwasser vorbereiten und im Katastrophenfall beschützen.
Wir danken Herrn Harsch herzlich für seine Zeit und für das Teilen seiner Erfahrungen zum Thema Hochwasser und Starkregen! Zudem möchten wir uns bei allen Gästen für das rege Interesse und die Beteiligung an der Diskussion bedanken.
Herzlichst,
Ihre UL