In der Sitzung des Gemeinderats am 16. November 2020 erfolgte der Aufstellungsbeschluss für das neue, 7 Hektar umfassende Baugebiet „Am Graben“ am Weissacher Ortsrand. Bei dem Gebiet handelt es sich um die letzte noch nicht bebaute, potenzielle Erweiterungsfläche aus dem Flächennutzungsplan 2035.
Das Für und Wider der Baugebietserschließung wurde in der genannten Gemeinderatssitzung bereits ausgiebig diskutiert. Letztlich fand sich eine Mehrheit für das Wohngebiet, dennoch erfolgte der Aufstellungsbeschluss nicht einstimmig.
Zentrales Argument für die Erschließung ist die derzeit hohe Nachfrage nach Bauland in der Gemeinde. „Am Graben“ soll Wohnraum für mehrere Hundert Bürgerinnen und Bürger entstehen.
Dem gegenüber steht der vom BUND initiierte Bürgerentscheid, der der zunehmenden Flächenversiegelung entgegentreten will. Der Bürgerentscheid wird am 26. September 2021 – am Termin der Bundestagswahl – durchgeführt werden.
Auch wir von der Unabhängigen Liste sind der Ansicht, dass der mit der Erschließung des Baugebiets einhergehende hohe Verbrauch von natürlichen Ressourcen wie dem Boden einerseits und den Finanzmitteln unserer Gemeinde andererseits von einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger mitgetragen werden sollte. Denn: beides steht nicht endlos zur Verfügung.
Wir möchten von weiteren Planungen bezüglich des Wohngebietes „Am Graben“ Abstand nehmen und stattdessen den Fokus vermehrt auf die Innenentwicklung lenken. Hinsichtlich des zusätzlichen Flächenverbrauchs auf unserer Gemarkung sollten wir die Entwicklungsspirale unterbrechen oder zumindest verlangsamen.
Wir sollten uns auf bereits begonnene Projekte und deren Finanzierung konzentrieren. Die wirtschaftlichen Konsequenzen des Greensill-Skandals sowie der Corona-Pandemie für unsere Gemeinde sind noch nicht abzusehen, ebenso wenig wie die Entwicklung des jüngst neu ausgewiesenen Gewerbegebietes Neuenbühl III in Flacht, das ebenfalls eine große landwirtschaftlich genutzte Fläche versiegeln und finanzielle Ressourcen binden wird.
Neben den Erschließungskosten verursachen Neubaugebiete um ein vielfach höhere Folgekosten für die Instandhaltung der Infrastruktur. Zu den Folgekosten in Verbindung mit dem Ausweisen neuer Siedlungsflächen gehören Investitionen in Kindertagesstätten, Schulen, in seniorengerechtes Wohnen, in den Bau von Straßen sowie in den Ausbau der örtlichen Kläranlage.
Dass Siedlungsflächen immer Folgekosten generieren, zeigt sich besonders deutlich am aktuellen Haushalt der Gemeinde: Die notwendigen Straßenrenovierungen im Ortskern von Flacht sowie der Friedhof-, Brunnen- und Bergstraße kosten Millionenbeträge. Für die Erweiterung der Kläranlage sowie für die erforderlichen Maßnahmen des Starkregen-Risikomanagements und Hochwasserschutzes werden momentan ebenfalls Beträge in Millionenhöhe eingestellt.
Es ist davon auszugehen, dass Extremwettersituationen und damit einhergehende Risiken und Gefahren zukünftig häufiger auftreten werden. Der Klimawandel wird vor der Weissacher und Flachter Gemarkung keinen Halt machen. Daher sollte es unser dringlichstes Anliegen sein, nachhaltig zu wirtschaften und die Eingriffe in die Natur auf ein Minimum zu reduzieren.
Eine weitere Bodenversiegelung verstärkt Hochwasserereignisse, zerstört unwiederbringlich fruchtbaren Boden, verringert die Biodiversität und bringt das sensible Gleichgewicht des Ökosystems unseres Heckengäus durcheinander. Aus Natur- und Umweltschutzperspektive muss mit dem Schutzgut Boden deutlich behutsamer umgegangen werden, als dies bisher der Fall ist. Mit den Folgen weiterer Flächenversiegelung werden künftige Generationen zu kämpfen haben.
Bereits 2015 war Weissach am Projekt „Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“ des Landes Baden-Württemberg beteiligt. In einer im Rahmen des Projekts durchgeführten Studie wurde ein Leerstand von 6,4 % der Wohngebäude in der Gemeinde festgestellt. Bis zum Jahr 2030 wird ein Anstieg auf bis zu 20 % prognostiziert, wenn keine entgegenwirkenden Maßnahmen ergriffen werden. Bisher wurde in Weissach allerdings nur wenig unternommen, um dem hohen Leerstand aktiv entgegenzuwirken. Auch der demographische Wandel wird bei der Bebauungsplanung nicht hinreichend berücksichtigt.
Ist ein Neubaugebiet in dieser Größe also notwendig? Nachhaltig ist es sicherlich nicht – weder in ökologischer noch langfristig in finanzieller Hinsicht. Stattdessen plädieren wir dafür, fokussiert mit dem bereits vorhandenen Wohnraumbestand zu arbeiten, rechtzeitig zu sanieren und zu modernisieren und so aktiv gegen den Leerstand vorzugehen.
Uns ist wichtig, dass Ihnen als Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde bewusst ist, welche langfristigen Konsequenzen eine Erschließung für Umwelt und Gemeindehaushalt hätte. Die Folgen des Großprojekts würden letztlich von uns allen mitgetragen werden. Wir fordern Sie deshalb auf, Ihre Stimme beim Bürgerentscheid im September abzugeben und zur Entscheidungsfindung beizutragen.
Weitere Informationen und Stellungnahmen finden Sie auch hier: